Homosexueller Pfarrgemeinderat bestätigt

Nachdem ein homosexueller Mann in Stützenhofen in den Pfarrgemeinderat gewählt wurde, hat die Erzdiözese Wien nun das Ergebnis der Wahl bestätigt. Der Mann, der in einer eingetragenen Partnerschaft lebt, wird somit Pfarrgemeinderat.

„Die Erzdiözese Wien erhebt keinen Einspruch gegen die am 18. März durchgeführte Pfarrgemeinderatswahl in der Weinviertler Pfarre Stützenhofen und bestätigt deren Ergebnis“, heißt es in einer Aussendung der Erzdiözese.

Beschluss wurde „einhellig gefasst“

Man habe im Bischofsrat „den komplexen Fall Stützenhofen eingehend beraten“ und den Beschluss „einhellig gefasst“, so das Ergebnis von Beratungen am Freitagnachmittag – mehr dazu in religion.ORF.at. Zugleich gibt der Bischofsrat den Auftrag, „in der Pfarrgemeinderatsordnung die Voraussetzungen für eine Kandidatur im Kontext weitergehender Überlegungen zu Wesen und Aufgabe des Pfarrgemeinderats präziser zu fassen“.

Der Wiener Erzbischof Kardinal Christoph Schönborn erklärte zudem wörtlich in der Pressemitteilung: „Ich danke allen Menschen, die durch ihre Kandidatur bei den Pfarrgemeinderatswahlen gezeigt haben, dass ihnen die Kirche und der Glaube ein großes Anliegen sind. Sie bezeugen damit die Lebendigkeit der Kirche. In ihrer Vielfalt spiegelt sich die Vielfalt heutiger Lebens- und Glaubenswege.

So gibt es auch unter den Pfarrgemeinderäten viele, deren Lebensentwürfe nicht in allem den Idealen der Kirche entsprechen. Im Blick auf ihr jeweiliges Lebenszeugnis in seiner Gesamtheit und auf ihr Bemühen um ein Leben aus dem Glauben freut sich die Kirche über ihr Engagement. Damit stellt sie die Ideale nicht in Frage.“

Schönborn: „Von gläubiger Haltung beeindruckt“

Zum Fall Stützenhofen im Besonderen hält der Kardinal fest: „In der kleinen, von mir sehr geschätzten Pfarrgemeinde Stützenhofen gibt es eine rege Beteiligung am kirchlichen Leben, auch in der jüngeren Generation. Das hat sich auch in der hohen Wahlbeteiligung bei der Pfarrgemeinderatswahl gezeigt. Die dabei aufgetretenen Formfehler stellen das Wahlergebnis an sich nicht in Frage, bei dem die meisten Stimmen auf den jüngsten Kandidaten, Florian Stangl, entfielen. Bei dem persönlichen Gespräch, das ich mit Herrn Stangl führen konnte, war ich von seiner gläubigen Haltung, seiner Bescheidenheit und seiner gelebten Dienstbereitschaft sehr beeindruckt. Ich verstehe daher, warum die Stützenhofener so eindeutig für seine Präsenz im Pfarrgemeinderat votiert haben.“

Links:

Die Presse – 10.4. 2012

Peter Paul Kaspar, Akademikerseelsorger in Linz, Autor, Musiker, Vorstandsmitglied der Pfarrerinitiative, hat den „Aufruf zum Ungehorsam“ mitformuliert und nun einen offenen Brief an Kardinal Christoph Schönborn verfasst:

Sehr geehrter Herr Kardinal!

Wir – der Vorstand der Pfarrerinitiative – haben uns um Pfingsten 2011 in einem „Aufruf zum Ungehorsam“ gemeldet, weil wir unsere dringenden Reformwünsche öffentlich machen wollten. Das ist uns inzwischen sogar weltweit und bis zur Gründonnerstagspredigt des Papstes gelungen. Die jahrzehntelang intern vorgebrachten Vorschläge und Anregungen wurden ja bisher stets höflich zu den Akten befördert. Wir haben hier eine Provokation riskiert, die zwar bestens funktioniert hat, jedoch Ihr Amtsverständnis als Hierarch so sehr verletzt, dass Sie seither beharrlich die Revision eines einzigen Wortes verlangen: Ungehorsam. Um es offen zu sagen: Das Reizwort war der Türöffner – es hat uns den weltweiten Diskurs ermöglicht. Dass Sie noch immer die Revision der Überschrift urgieren, statt die Inhalte zu diskutieren, sagt viel über Ihr Autoritätsverständnis aus: Sie beziehen den Gehorsam, den wir Gott, seiner Weisung und dem Gewissen schulden, auf sich – auf Sie persönlich und auf Ihr Amt.

Sie haben auch in keiner bisher bekannt gewordenen Stellungnahme erkennen lassen, dass ein christlicher Gehorsam kein bloß äußerlicher Befehlsgehorsam ist, sondern zum „Hinhorchen“ – davon kommt auch das Wort – auf das eigene, gebildete und verantwortete Gewissen führen soll. Bei dieser Gewissensbildung spielt für einen katholischen Priester auch die Weisung des vorgesetzten Bischofs eine gewisse, jedoch keineswegs die erste Rolle: „Gott mehr zu gehorchen als den Menschen,“ lautet die biblische Regel. Einige von uns haben bei Gesprächen mit den zuständigen Diözesanbischöfen – trotz einzelner Meinungsverschiedenheiten – Offenheit und Vertrauen schätzen gelernt. Wir nehmen an, dass das auch in Ihrer Wiener Diözese ähnlich möglich ist. Ihre Mitarbeiter öffentlich zum Widerruf eines einzigen Wortes aufzufordern, erscheint uns doch ein allzu schlichtes Modell, mit Meinungsverschiedenheiten umzugehen. Und für die vielen Priester der Pfarrerinitiative aus anderen Diözesen sind Sie ja gar nicht zuständig.

Dieser – vielleicht unbequeme – Brief soll jedoch mit einer anerkennenden Bemerkung schließen: Sie haben einen mit großer Mehrheit gewählten – homosexuellen – Pfarrgemeinderat zu einem Gespräch gebeten, weil er in eingetragener Partnerschaft mit seinem Lebensgefährten lebt. Und sie haben die Entscheidung der Pfarre gebilligt. Es ist möglich, dass Sie dafür von einer römischen Instanz getadelt werden. Und Sie haben das offensichtlich in Kauf genommen und wollen nun zu Ihrem „Ungehorsam“ stehen. Dass Sie dabei den gehorsamen Pfarrer öffentlich bloßstellten, ist allerdings ein kleiner Schönheitsfehler. Trotzdem sehen wir in Ihrer Entscheidung ein erfreuliches Beispiel, wie ein Bischof in seinem Amt dem Gewissen gehorcht, obwohl das Kirchenrecht oder die römische Weisung Anderes vorsieht. Wir wollen Ihren „Ungehorsam“ gern als die erfreuliche Selbstverantwortung eines – im wörtlichen Sinn – „gewissenhaften“ Amtsträgers ansehen.

Mit dieser hoffentlich erfreulichen Einsicht sei Ihnen für Ihre sicherlich schwierige Amtsführung Gottes Segen gewünscht!

Prof. Peter Paul Kaspar, Akademiker- und Künstlerseelsorger der Diözese Linz

Ehrliches Gespräch“ mit Schönborn

Das Gespräch zwischen Kardinal Christoph Schönborn und dem gewählten homosexuellen Pfarrgemeinderat in Stützenhofen, Florian Stangl, ist positiv verlaufen. Der 26-Jährige zeigte sich optimistisch. Eine Entscheidung soll es in ein paar Tagen geben.

„Es ist ein unwirkliches Gefühl, weil man nicht damit rechnet, irgendwann mit dem Kardinal Mittag zu essen. Es wurde über alles Mögliche gesprochen, über Hobbys, unsere Lebenssituation, über die gemeinsame Geschichte von mir und meinem Lebensgefährten“, sagte Florian Stangl nach dem Gespräch zu noe.ORF.at.

Entscheidung Ende kommender Woche

„Es war ein positives und angenehmes Gespräch. Er hat mich darüber informiert, dass er sich Anfang der kommenden Woche mit seinen Beratern der Sache annehmen wird und dass gegen Ende der Woche mit einem Ergebnis zu rechnen sein wird“, sagte Stangl.

„Es war ein gutes Gespräch“, erklärte auch Schönborn gegenüber der Kathpress. Es werde eine Lösung geben, die die Würde aller Beteiligten und die kirchlichen Regelungen respektiert, betonte der Erzbischof von Wien.

Kriterien für Wahl sollen neu formuliert werden

Ob der Betroffene sein Amt tatsächlich ausüben wird dürfen, ist offenbar noch unklar: In der kommenden Woche werden sich die diözesane Wahlkommission und der Bischofsrat mit der Pfarrgemeinderatswahl in Stützenhofen befassen, erklärte Schönborn via Kathpress. Dabei werde es „im Hinblick auf die Irregularitäten bei der Vorbereitung der Pfarrgemeinderatswahl in Stützenhofen um die Sanierung der Wahl“ gehen, so der Kardinal. Die Erfahrung der letzten Jahre hätten gezeigt, dass auch die Kriterien für die Wählbarkeit deutlicher formuliert werden müssen, fügte er hinzu.

Diözese gegen homosexuellen Pfarrgemeinderat

Nach den Pfarrgemeinderatswahlen herrscht Aufregung in Stützenhofen (Bezirk Mistelbach): Ein homosexueller Mann, der in einer eingetragenen Partnerschaft lebt, erhielt 90 Prozent der Stimmen. Pfarrer und Diözese wollen das nicht hinnehmen.

Bei einem Lokalaugenschein in Stützenhofen zeigt man sich am Dienstag kampfbereit, man will zu dem homosexuellen Pfarrgemeinderatsmitglied halten. Muss er gehen, wird es einen Aufstand geben, sagen hier viele.

Bevölkerung: „Jahrhunderte zurückversetzt“

„Ich muss sagen, ich komme mir ein paar Jahrhunderte zurückversetzt vor“, sagt etwa Georg Hugl. „Das Traurigste an der Geschichte ist für mich, wenn er seine Homosexualität im stillen Kämmerlein ausüben würde, hätte keiner was dagegen, aber, weil er ehrlich ist und zu seiner Neigung steht, kriegt er Schwierigkeiten“, sagt Barbara Hugl aus Stützenhofen. Viele sagen, so wie Waltraud Hubiny, dass es sie nicht stört, dass der Mann homosexuell ist.

„Pfarrer hat mich gebeten, nicht mehr zur Kommunion zu gehen“, sagt Florian Stangl.

Das geht dem örtlichen Pfarrer zu weit, berichten „NÖN“ und „Bezirksblätter“. Und auch die zuständige Erzdiözese Wien hat sehr wohl ein Problem.

Der Betroffene fühlt sich diskriminiert, wie er gegenüber dem ORF bestätigt. „Der Pfarrer hat mich gebeten, nicht mehr zur Kommunion zu gehen. Er hat gemeint, dass er sie mir nicht verwehren kann, aber er hat mich gebeten“, sagt Florian Stangl. Das finde er fast noch schlimmer, weil es wie ein Ausschluss aus der Kirche sei.


Debatte:
Pfarrgemeinderat: Welche Rolle sollen Laien in der Kirche spielen?
In Zeiten wie diesen müsse man froh sein, wenn man überhaupt Leute findet, die sich für die Kirche engagieren, sagt der Leiter der Pfarrgemeinderatswahlen im Ort, Franz Schuster. Die Diözese kündigte an, die Wahl prüfen zu wollen, auch wegen möglicher Fristverletzungen, wie es heißt. Dazu hat der Wahlleiter eine klare Antwort: „Ich hoffe, die Wahlen finden überall so korrekt statt.“

Diözese: „Weicht von katholischer Glaubenslehre ab“

Oberste Wahlbehörde ist in diesem Fall Kardinal Christoph Schönborn, der noch bis Freitag in einer Bischofskonferenz verweilt. Die Diözesanleitung geht inzwischen davon aus, dass ein Leben in einer eingetragenen homosexuellen Partnerschaft so deutlich von der katholischen Glaubenslehre abweiche, dass es einem Eintritt in den Pfarrgemeinderat entgegen stehe, heißt es in einer Stellungnahme der zuständigen Erzdiözese Wien.

Außerdem werden auch noch Regelwidrigkeiten bei der Pfarrgemeinderatswahl in Stützenhofen vermutet. So zum Beispiel die Tatsache, dass am Sonntag genauso viele Kandidaten wie Mandate zur Wahl gestanden sind und dadurch keine Auswahlmöglichkeit bestanden haben soll.

Weiters soll der örtliche Pfarrer laut Diözese behaupten, der homosexuelle Mann hätte in einem Gespräch mit ihm, am Vorabend der Wahl, seine Kandidatur zurückgelegt und dadurch nicht gewählt werden dürfen. „Stimmt nicht“, sagt der Betroffene dazu im Gespräch mit dem ORF NÖ. Er wolle sein Mandat nach Möglichkeit ausüben.

Publiziert am 20.03.2012, mehr Niederösterreich-News

Pfarrgemeinderat: Schönborn sucht Gespräch

Kardinal Christoph Schönborn will ein Gespräch mit dem homosexuellen Kandidaten bei der Pfarrgemeinderatswahl in Stützenhofen führen. „Wir sehen uns die Sache genau an“, betonte Schönborn. Indes gibt es zunehmend Kritik an der Kirche.

Ein homosexueller Mann, der in einer eingetragenen Partnerschaft lebt, erhielt bei den Pfarrgemeinderatswahlen 90 Prozent der Stimmen. Der Pfarrer hatte den Mann aufgefordert, sein Mandat zurückzulegen, dieser weigert sich und will es durchfechten – mehr dazu in Diözese gegen homosexuellen Pfarrgemeinderat.

Gespräch am Samstag

Niemand dürfe aufgrund seiner Rasse, seiner Religion oder seiner sexuellen Orientierung diskriminiert werden, zitierte Schönborn den Katechismus der römisch-katholischen Kirche. Trotzdem gebe es eine Rahmenordnung für die Funktion eines Pfarrgemeinderats: „Jeder Mensch muss mit seinem Lebensstil so umgehen, dass er mit den kirchlichen Vorgaben übereinstimmt.“ Dies habe nichts mit Diskriminierung zu tun. Überprüft werden müsse auch, ob die Wahl korrekt abgelaufen sei. Das Gespräch soll laut Schönborn bereits am Samstag stattfinden. Ein Urteil wollte der Kardinal am Freitag noch nicht abgeben – mehr dazu in religion.ORF.at.

Florian Stangl sagte gegenüber der Tageszeitung „Presse“, dass er von sich aus nicht auf die Kandidatur verzichten werde. Ich werde nur dann nicht Pfarrgemeinderat, wenn es kirchenrechtlich absolut nicht geht“, wird er in der Zeitung zitiert.

Homophobes Vorgehen“

Die Plattform „Wir sind Kirche“ zeigt sich solidarisch mit dem 26-jährigen gewählten Pfarrgemeinderat Florian Stangl. Jede andere Entscheidung, als das Wahlergebnis zu akzeptieren, gefährde die Glaubwürdigkeit der Kirche, heißt es in einer Aussendung.

Noch schärfer kritisiert die „Organisation Sozialdemokratie und Homosexualität“, kurz SOHO, die Erzdiözese. Deren Vorgehen sei diskriminierend und homophob, sagt Michaela Menclik, Landesvorsitzende der SOHO. Sie spricht von einem mittelalterlichen Vorgehen.


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