Eheverständnis Positionspapier – Ev. Kirche A.B. – 2007

Dass der Mensch ein familiales Wesen ist, ist eine Grundlage des Menschseins.
Das findet seinen Ausdruck auch in der biblischen Schöpfungsgeschichte.

Evangelisches Eheverständnis Positionspapier 2007 (des Theologischen Ausschusses) der Synode A.B

Geborgenheit, Füreinander-Da-Sein, Treue sowie das Bemühen, Kindern einen verlässlichen Lebensraum zu bieten, haben für viele Menschen heute einen hohen Stellenwert. Die rechtliche Institution der Ehe bietet eine Stütze zur Verwirklichung dieser Werte. Es gibt aber eine wachsende Zahl von Menschen, die – aus verschiedensten Gründen – ihre Partnerschaft nicht staatlich legitimieren lassen wollen oder können. – In diesem Umfeld stellt die Evangelische Kirche A.B. in Österreich durch nachfolgende Thesen ihr Verständnis von Ehe, Trauung und Segnung kurz dar.

  1. Dass der Mensch ein familiales Wesen ist, ist eine Grundlage des Menschseins.
    Das findet seinen Ausdruck auch in der biblischen Schöpfungsgeschichte.
  2. In der Geschichte der Menschheit war die Gestalt des familiären Zusammenlebens aller dings vielfachen Wandlungen unterworfen. Durch sich ändernde Lebensbedingungen erleben wir gegenwärtig gerade wieder einen starken Veränderungsschub, der eine große Zahl von unterschiedlichen sozialen Lebensformen hervorgebracht hat. Viele dieser Lebensformen gelten inzwischen weithin als gesellschaftlich akzeptiert.
  3. Als Kirche wissen wir um die historische Bedingtheit gesellschaftlicher Konventionen und Ordnungen. Das kirchliche Eheverständnis hat sich – ebenso wie einst schon das biblische – immer wieder den jeweiligen gesellschaftlichen Herausforderungen gestellt. Dem entsprechend soll auch in der Gegenwart für Veränderungen Raum sein.
  4. Obwohl jede Partnerschaft zunächst durch den Willen der Beteiligten zustande kommt, gibt es gute Gründe bzw. eine Reihe sachlicher Notwendigkeiten, Ehe, Lebensgemeinschaft und Familie durch allgemein rechtliche Ordnungen des Staates auch formal zu definieren – nicht zuletzt zum Schutz aller Beteiligten. Aus diesem Grund tritt die Evangelische Kirche für die obligatorische Zivilehe ein.
  5. Dem Wissen um historische Wandlungsprozesse in der äußeren Gestalt von Ehe und Familie steht der Inhalt einer christlichen Vorstellung von lebenslanger Partnerschaft als Kernstück familialer Strukturen in einer Gemeinschaft der Liebe gegenüber. Im Neuen Testament wird das Mysterium der Verbindung Christi mit seiner Kirche mit der Ehe verglichen und damit auch der Ehe eine besondere inhaltliche Qualität zugemessen. Sie ist nach christlichem Verständnis intentional unauflöslich. Allem jedoch, was Gott geschaffen hat, gilt die Verheißung der Gnade – auch im Fall schuldhaften Scheiterns.
  6. Staatliches Eherecht und ein christliches Bild von Partnerschaft, Ehe und Familie weisen Überschneidungen auf, müssen inhaltlich aber nicht deckungsgleich sein. In Geschichte und Gegenwart hat es immer wieder Bereiche gegeben, in denen die diesbezüglichen Leitbilder von Staat und Kirche zueinander in Spannung geraten sind. Erst wo beides miteinander nicht mehr in Einklang zu bringen wäre, würde das in letzter Konsequenz die Notwendigkeit einer Abkoppelung der evangelisch-kirchlichen Ehedefinition von der Zivilehe nach bürgerlichem Recht nach sich ziehen. Dazu besteht zur Zeit aber kein Anlass.
  7. In der kirchlichen Trauung (in Ergänzung zur standesamtliche Eheschließung) wird nach evangelischem Verständnis der Segen Gottes für die eheliche Partnerschaft zugesagt. Christinnen und Christen empfinden ihre gegenseitige Liebe, ihr Sich-Gefunden-Haben und Füreinander-Da-Sein als Geschenk bzw. Gabe Gottes. Deshalb möchten sie Gott danken, ihre Freude mit anderen Menschen teilen und miteinander auf Gottes froh machende Botschaft hören. Mit der Trauung stellt sich das Paar bewusst in den Kontext des christlichen Eheverständnisses. Die beiden geben einander das Versprechen, ihre Ehe mit Gottes Hilfe im Geiste Jesu Christi führen zu wollen.
  8. Wenn Menschen, die für sich eine andere Form des Zusammenlebens gewählt haben als die nach bürgerlichem Recht definierten Ehe, den Wunsch äußern, ihren Lebensweg unter den Segen Gottes zu stellen, ist besondere Sensibilität und theologische Verantwortung gefragt. Ein etwaiger Segenszuspruch im seelsorgerlichen Rahmen kann für betroffene Menschen, sofern ihre Partnerschaft auf unbedingte Liebe und Treue angelegt ist, geistli- che Unterstützung in ihrer konkreten Situation bedeuten. Er stellt aber keinen Rechtsakt dar und darf daher auch nicht mit einer öffentlichen Amtshandlung verwechselbar sein. Die kirchliche Trauung (oder öffentliche Segnung) bleibt in der Evangelischen Kirche A.B. in Österreich jenen Paaren vorbehalten, die eine rechtsgültige Zivilehe geschlossen haben.

Dass Gottes Verheißung und Gottes Segen sehr wohl auch Stütze für die Partnerschaft in gu-
ten wie in schweren Zeiten sein kann, hat Dietrich Bonhoeffer in einer Traupredigt in die
klassisch gewordenen Formulierung gekleidet: Bisher hat die Liebe eure Gemeinschaft getra-
gen, hinfort soll die Ehe auch eure Liebe tragen!

Nach der Vorlage eines Zwischenberichtes an die Synode 2005 leicht überarbeitete Version
(Neuformulierung von These 8) – in dieser Form nunmehr einstimmig beschlossen vom Theo-
logischen Ausschuss A.B. am 26. März 2007 – zur Vorlage an die Synode A.B. im Juni 2007.

SI Mag. Hermann Miklas,
Obmann